Die Kommission will ein EU-weites Lebensmittellabel einführen, das verbindlich auf der Vorderseite von Verpackungen aufgedruckt werden muss. Es soll Verbraucher dabei helfen, beim Kauf von Lebensmitteln vermeintlich gute Entscheidungen zu treffen. Für welches Label sich Brüssel letztlich entscheidet, steht noch nicht fest. Es gibt bereits verschiedene Lebensmittellabel in Europa, die grundsätzlich dafür in Frage kämen. Die größten Chancen haben jedoch der französische Nutri-Score und der italienische NutrInform.

Dabei handelt es sich mitnichten nur um eine rein technische Abwägung. Beide Label unterscheiden sich grundlegend. Der Nutri-Score bewertet Lebensmittel mit einer Schulnote. Die Noten reichen von A bis E und sollen damit kennzeichnen, ob das Produkt besonders gesund (A) oder besonders ungesund (E) ist. Im Gegensatz dazu informiert das italienische NutrInform-Label ausführlicher über bestimmte Nährwerte und Inhaltsstoffe wie zum Beispiel den Gehalt von Fett oder Zucker und setzt dies ins Verhältnis zum empfohlenen Tagesbedarf – ohne grafische Wertung.

Der Nutri-Score ist bereits auf vielen Verpackungen zu finden. Auf den ersten Blick könnte daher vieles dafür sprechen, dieses Label europaweit einzuführen. Dass vor allem Italien mit seinem NutrInform-Label dagegen Sturm läuft, hat einen triftigen Grund: Viele traditionelle italienische Spezialitäten wie Gorgonzola, Parmesan oder Olivenöl bekämen, zum Beispiel aufgrund eines hohen Fettgehaltes, schlechte Noten. Diese Einstufung würde suggerieren, dass die so gekennzeichneten Lebensmittel nicht zu empfehlen seien. Die Befürchtung: Verbraucher in ganz Europa könnten von diesen Produkten Abstand nehmen und dadurch der italienischen Lebensmittelindustrie massiven wirtschaftlichen Schaden zufügen. Mehr noch: Eine über Jahrhunderte entstandene Essenskultur könnte in Misskredit gebracht werden.

Sowohl hinter als auch vor den Kulissen wird daher kräftig gestritten. Jede der beiden Seiten sucht nun nach Unterstützung. Nicht nur in Brüsseler Arbeitsgruppen wird das Ganze diskutiert, sondern auch auf höchster politischer Ebene. So haben sich dazu im November 2021 die Staats- und Regierungschefs Frankreichs und Italiens am Rande der Unterzeichnung des Quirinalsvertrages wohl lebhaft ausgetauscht. Formal hat die Kommission noch keine Entscheidung gefällt. Nach wie vor fehlt ein Gutachten der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Doch dies wird vermutlich noch nicht der Schlusspunkt der Diskussion sein. Zu viel hängt für die betroffenen Mitgliedstaaten von dieser Entscheidung ab. Fest steht nur eines: Noch in diesem Jahr will die Kommission ein konkretes Label vorschlagen. Wer sich am Ende politisch durchsetzt, bleibt abzuwarten. Zudem ist bislang noch völlig unklar, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könnte. Die Debatte dürfte also weiter hitzig geführt werden.

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