Was wird aus dem digitalen Euro? Im Gespräch mit Camille Réau beantwortet cep-Finanzexperte Philipp Eckhardt die sieben drängendsten Fragen – alles, was man über die Zukunft des neuen Zahlungsmittels wissen muss.

Seit einigen Jahren arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) an einem Projekt zur Einführung eines digitalen Euro. Was muss man sich unter dem digitalen Euro vorstellen?

Es gibt im Prinzip zwei verschiedene Arten von Geld. Die eine Form ist das physische Geld, also Bargeld und damit Banknoten und Münzen. Bargeld wird von der Europäischen Zentralbank herausgegeben – als sogenanntes Zentralbankgeld. Die zweite Form ist das Geld, das wir auf unserem Bankkonto in Form von Einlagen haben. Einlagen können wir auf verschiedene Weise einsetzen, etwa für Online-Zahlungen oder für Kartenzahlungen. Das Geld, das wir als Einlagen bei den Banken halten, ist sogenanntes Geschäftsbankengeld. In den vergangenen Jahren und insbesondere seit der COVID-19-Pandemie ist die Nutzung von Bargeld zurückgegangen. Gleichzeitig nehmen Online- und Kartenzahlungen zu. Dieser Trend ist in den meisten Mitgliedsstaaten der EU zu beobachten. Und genau hier kommt der digitale Euro ins Spiel. Der digitale Euro wäre ein neues digitales Zahlungsmittel, das von jedem in der Eurozone genutzt werden könnte. Der digitale Euro soll Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Warum brauchen wir den digitalen Euro überhaupt, wenn wir doch schon seit Jahren zunehmend digital bezahlen?

Bargeldzahlungen gehen zurück. Es besteht die Gefahr, dass das physische Geld irgendwann verschwindet und damit auch eine Form des Zentralbankgeldes. Nun wird befürchtet, dass die Bürgerinnen und Bürger dann auch ihr Geschäftsbankengeld nicht mehr in Zentralbankgeld umtauschen können. Dies könnte zu einem Vertrauensverlust in das Geld führen. Es soll also Ersatz geschaffen werden. Diese Rolle soll der digitale Euro einnehmen.

Ein weiterer Grund ist die Omnipräsenz von Anbietern aus Drittstaaten auf den Zahlungsmärkten, insbesondere aus den USA. Diese gefällt der EZB und der EU-Kommission gar nicht. Die EU soll nicht weiter ins Hintertreffen geraten und die strategische Autonomie Europas gestärkt werden. Der digitale Euro wäre ein Konkurrenzprodukt zu den zahlreichen bestehenden dominanten Zahlungslösungen wie Paypal, Google Pay oder Master Card. Es geht also darum, nicht länger von außereuropäischen Infrastrukturen und Anbietern abhängig zu sein. Zudem arbeiten viele Länder außerhalb Europas auch an eigenen digitalen Zentralbankwährungen oder haben sie bereits eingeführt. Es droht also weitere Konkurrenz.

Nun hat die EU-Kommission im Juni 2023 einen Verordnungsvorschlag zur Einführung des digitalen Euro vorgelegt. Was sind die zentralen Elemente des Vorschlags?

Die Kommission will, dass der digitale Euro gesetzliches Zahlungsmittel wird, so wie es das Bargeld heute de facto schon ist. Das bedeutet letztlich, dass jeder Händler, egal ob klein oder groß und egal in welchem Mitgliedstaat der Eurozone, den digitalen Euro akzeptieren muss. Sie können ihn nicht einfach ablehnen. Es gibt einige wenige Ausnahmeregelungen, aber im Großen und Ganzen haben Händler keine Wahl.

Darüber hinaus werden Banken in der Eurozone verpflichtet, Basisdienstleistungen rund um den digitalen Euro kostenlos anzubieten. Alle anderen Zahlungsanbieter können diese Dienstleistungen anbieten, müssen es aber nicht. Ein drittes Element ist, dass es Beschränkungen dahingehend gibt, welche Gebühren und Entgelte die verschiedenen Marktteilnehmer, also insbesondere Zahlungsdienstleister und Händler, sich gegenseitig in Rechnung stellen dürfen. Da gibt es dann auch Obergrenzen. Ein weiteres zentrales Element ist, dass der digitale Euro zinsfrei sein soll, das heißt man bekommt keine Zinsen für das Halten des digitalen Euro.

In der Diskussion ist immer wieder auch davon die Rede, dass die Nutzer digitale Euro nur in begrenztem Umfang halten dürfen. Was ist damit gemeint?

Es wird diskutiert, dass jeder Bürger letztlich nur einen begrenzten Betrag an digitalen Euro halten darf. Derzeit ist eine Summe von 3.000 Euro im Gespräch. Damit wird das Ziel verfolgt, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht zu viel Geld, dass sie derzeit als Einlagen auf ihren Bankkonten parken, in digitale Euro umtauschen. Denn sonst stünden die Banken ohne Einlagen da. Die Einlagen sind jedoch eine günstige und liquide Quelle für die Refinanzierung von Krediten. Wenn sie nicht mehr auf die Einlagen als Refinanzierungsquelle zurückgreifen können, müssen sie sich das Geld woanders besorgen, und das kann teurer sein. Man will letztlich vermeiden, dass die Banken ihre ureigene Rolle als Vermittler zwischen Sparern und Kapitalsuchenden verlieren. Die Intermediationsfunktion der Banken soll nicht beeinträchtigt werden. Dies ist der Hauptgrund für die geplante Begrenzung.

Ein weiterer Grund für ein Haltelimit ist, dass man verhindern will, dass der digitale Euro Bankenkrisen verschärft. Denn wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät, ist es für Kunden vielfach einfacher, Einlagen schnell in digitale Euro und damit ausfallsicheres Zentralbankgeld umzutauschen. Sie müssen hierfür nicht zu ihrer Bank rennen, um dort Bargeld am Automaten abzuheben. Das Limit soll also verhindern, dass Bankkunden zu viel Geld in einer Bankkrise von ihren Konten abziehen.

Die Absicht, den digitalen Euro in der Eurozone für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos bereitzustellen und die Händler zu verpflichten, ihn annehmen zu müssen, wird dem neuen Zahlungsmittel sicherlich einen gewissen Schub verleihen.

An Bargeld schätzen viele Bürgerinnen und Bürger die Anonymität der Zahlung. Wie steht es um den Schutz der Privatsphäre bei diesem neuen Zahlungsmittel?

Die Kommission und die EZB beabsichtigen, den digitalen Euro sowohl als Offline- als auch als Online-Variante einzuführen. Online-Zahlungen mit dem digitalen Euro würden ähnlich wie bei privaten digitalen Zahlungslösungen auf dem Markt funktionieren. Der Schutz der Privatsphäre wäre relativ gering, auch wenn die EZB keinen Zugriff auf die personenbezogenen Transaktionsdaten erhalten soll. Zugleich soll der digitale Euro auch offline nutzbar sein. In diesem Fall könnten die Nutzer ohne die Mitwirkung eines Zahlungsdienstleisters Transaktionen untereinander und anonym ausführen. Weder Zahlungsdienstleister noch irgendjemand anders hätte Zugriff auf Informationen darüber, wer wem wie viel digitalen Euro zur Verfügung stellt. Offen ist jedoch noch, wie im Detail die Privatsphäre beim Aufladen oder bei der Auszahlung von digitalem Offline-Euro geschützt sein soll. Aber auch heute weiß meine Bank ja, dass, wann und wie viel Geld ich abhebe, wenn ich mir Bargeld am Geldautomaten auszahlen lasse. Sie weiß nur nicht, wofür ich das Bargeld einsetze.

Welche Erfolgschancen hat der digitale Euro?

Eine abschließende Beantwortung dieser Frage ist schwierig, da noch vieles nicht abschließend geregelt ist. Die Absicht, den digitalen Euro in der Eurozone für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos bereitzustellen und die Händler zu verpflichten, ihn annehmen zu müssen, wird dem neuen Zahlungsmittel sicherlich einen gewissen Schub verleihen. Zudem hat er, da er von der Zentralbank herausgegeben wird, den Vorteil, dass er quasi ausfallsicher ist. Dieses Feature bietet Geschäftsbankengeld nicht und kann es auch nicht bieten. Ob der digitale Euro jedoch wirklich einen praktischen Mehrwert für seine Nutzer bieten kann und von den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich angenommen wird, bleibt abzuwarten. Denn auch heute gibt es ja schon zahlreiche, verschiedentliche und kostengünstige Zahlungslösungen.

Wie sieht nun der weitere Fahrplan aus? Wann können wir mit dem digitalen Euro rechnen?

Der Vorschlag der EU-Kommission wurde im Juni vorgelegt. Die Vorbereitungen laufen aber bereits seit mehreren Jahren. Es wurden zahlreiche Untersuchungen, Studien und Tests durchgeführt. Voraussichtlich wird die EZB im Oktober von der Prüfungs- in die Realisierungsphase übergehen. Kürzlich gab die EU-Kommission bekannt, dass die Gesetzgebungsvorschläge zur Einführung des digitalen Euro wohl nicht mehr vor den im kommenden Jahr anstehenden Europawahlen zum Abschluss gebracht werden können. Eine Einigung auf ein Regelwerk ist erst nach den Europawahlen zu erwarten. Aktuell wird erwartet, dass die EZB den digitalen Euro nicht vor 2027 herausgeben kann.


Der cep-Experte begleitet den Prozess des digitalen Euro von Anfang an. Weitere Informationen finden Sie in seinem Kommentar zu diesem Thema.


Philipp Eckhardt ist wissenschaftlicher Referent für Finanzmärkte und Informationstechnologien am Centrum für Europäische Politik in Freiburg im Breisgau.

Seine Spezialgebie sind Grüne Taxonomie, Kryptowerte und Cybersicherheit. Eckhardt studierte Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.

 

 

 


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